Was lange währt, wird endlich gut, manchmal auch sehr gut. Sieben Jahre nach Beginn der Renovierungsarbeiten erstrahlt die St.-Marien-Kirche in frischem Glanz. Als die Gemeinde am 3. Juli 2005 wieder in ihr Gotteshaus zog, fand das vorläufig letzte Kapitel in der Geschichte der Pfarrkirche ein glückliches Ende.
Lange Bauphasen sind in Baukau kein neues Phänomen. In der Pfarrchronik ist eindrucksvoll dokumentiert, mit welcher Beharrlichkeit und Raffinesse sich die Baukauer Katholiken seit über 100 Jahren für ihre Pfarrkirche einsetzen.
Begonnen hat die Geschichte der Gemeinde 1896 mit einem Gottesdienst in einem notdürftig hergerichteten Saal. In zwei Bauabschnitten entstand zwischen 1899 und 1909 die neugotische dreischiffige Hallenkirche unter teils abenteuerlicher Finanzierung und viel Vertrauen in Gott und die Zukunft. "Heute am Fest des hl. Liborius, unseres Diözesanpatrons, ... zur Zeit mächtigen Aufschwungs der hiesigen Industrie ... wurde dieser Grundstein dem Fundament der neuen Kirche eingefügt ... “ heißt es in der Urkunde. Es folgten wie in vielen Ruhrgebiets-Gemeinden stürmische Jahre des Aufbaus mit allerlei Interessenkonflikten und schnellen Veränderungen, bis zu 9.500 Katholiken zählten zu Beginn des letzten Jahrhunderts zur Gemeinde.
Steter Tropfen höhlt den Stein. Feuchtigkeit, zwei Weltkriege und wechselnder Zeitgeschmack setzten dem Gebäude zu, so dass in den folgenden Jahrzehnten immer wieder umgebaut und erneuert wurde. Zuletzt wurde 1974 der Innenraum renoviert. Bereits wenige Jahre später zeigten sich versteckte Baumängel. Das Gewölbe, in gotischen Kirchen Symbol für den Himmel, war fleckig, leise rieselte der Putz. "Eigentlich war nur eine neue Innenrenovierung angedacht“, erinnert sich Ulrich Clement, stellvertretender Kirchenvorstands-Vorsitzender. Doch schon bei der ersten Begehung stellte Architekt Wolfgang Trennberg aus Unna schwerwiegende Mängel am Mauerwerk fest.
Gefallene Engel bedeuten nichts Gutes. Vor allem, wenn sie an einem riesigen Steinquader hängen. Die acht Eckengel und Teile der Fassade drohten herunterzustürzen. Das Hauptportal musste sofort gesperrt werden, jahrelang quälten sich Martinszüge und Fronleichnamsprozessionen durch die engen Seiteneingänge. Im ersten Bauabschnitt 1998/99 wurden die Schäden an den Türmen und dem Portal behoben. Die beiden markanten Türme bekamen Kupferdächer, die wertvolle, kunstvoll gestaltete Ziegelfassade und die Steinfiguren wurden restauriert. Viele Formsteine für das Portal mussten extra gebrannt werden. "Die Kirche ist gekennzeichnet durch eine anspruchsvolle, sehr schöne Architektur“, sagt Trennberg und stimmt mit seiner Meinung mit anderen Experten überein. Seit 1996 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Manches muss man buchstäblich begreifen. "Es ist unglaublich, wie viele schadhafte Steine erst während der Arbeiten entdeckt wurden", meint Trennberg. Im zweiten Bauabschnitt 2001 wurde das Kirchenschiff außen restauriert, innen wurde die altersschwache Heizung erneuert.
Im letzten Schritt wurde endlich der Innenraum renoviert. Über ein Jahr lang waren die Kirchenbesucher in der benachbarten evangelischen Matthäuskirche zu Gast. Auch das ist eine lang gepflegte Baukauer Tradition, die auf Gegenseitigkeit beruht. In dieser Zeit wurde der Putz auf den Wandflächen abgeschlagen und erneuert, die Elektroninstallation und Beleuchtung auf den neuesten Stand gebracht, der Natursteinboden repariert und die Orgel überholt und um fünf Register erweitert. Auf den Innenwänden wurden einige Dämmflächen angebracht, die den Nachhall schlucken und die Akustik damit verbessern sollen. 3,5 Millionen Euro haben diese Baumaßnahmen insgesamt gekostet, etwa 730.000 hat die Gemeinde selber aufgebracht. Der Rest wird aus Bistums- und Denkmalschutzmitteln finanziert.
Und wiederum hielten alle Generationen zusammen und sammelten neben den regelmäßigen Kollekten fleißig Spenden: die KJG baute monatelang ein Modell der Kirche aus kleinen Backsteinen, die Messdiener puzzelten, der Kirchenvorstand verkaufte Tassen mit dem Emblem der Kirche auf Gemeindefesten. Ehrenamtliche erneuerten schließlich die Grünanlagen rings um die Kirche.
Pfarrer Michael Beckmann ist in seiner Amtszeit seit 1977 zum echten Bauprofi geworden: in dieser Zeit wurden unter anderem das Pfarrhaus renoviert, das Kinderhaus an der Nordstraße und das Gemeindehaus gebaut. Wenn er seine Gemeinde - mit derzeit knapp 5.000 Katholiken die größte im Pastoralverbund Herne-Nord - im Spätherbst an seinen Nachfolger Guido Hoernchen abgibt, heißt das aber nicht, dass nun nichts mehr zu tun bliebe. Denn ein Blick in die Pfarrchronik lehrt: Fortsetzung folgt bestimmt.