Der jüdische Friedhof in Herne-Baukau liegt versteckt am Rande eines Schrebergartens an der Robert-Grabski-Straße. Nur wer direkt durch das Abseits am Weg liegende Tor schaut, erkennt, dass es sich um einen Friedhof handelt. Etwa 140 Menschen liegen hier begraben. Es kommt die Frage auf, ob wirklich nur die Angst vor Zerstörungen diesen Friedhof in Vergessenheit geraten lässt?
Auf einem Grab neben dem Gedenkstein ist die Lebensgeschichte eines 1919 verstorbenen jüdischen Arbeiters erzählt: "Hier ist verborgen ein gottesfürchtiger Mann vom Stamme der Rechtschaffenden. In der Stadt bekannt durch sein Gebet und durch seinen guten Ruf. Sein Andenken wird nicht vergessen sein in Generationen. Er tat Gutes seinen Verwandten und auch den Fremden aus der Stadt Slomiki in Polen. Er starb in Dortmund, wo er wohnte. Sechzig Jahre waren seine Lebenszeit. Er wurde nach Herne gebracht und dort begraben. Am Sabbatausgang ging seine Sonne unter. Er starb am 7. Adar zwei 5679 nach der Schöpfung. Das ist Herr Abraham Mosche, Sohn des Rabbi Aharon Wdowinski des Priesters. Es blieb seiner Gattin, seiner Tochter und seinen Söhnen die Klage. Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens."
Unter den Flüchtlingen, die nach dem ersten Weltkrieg aus den Polen zugesprochenen Ostgebieten auch ins Ruhrgebiet abwanderten, befanden sich viele Juden. Eine weitere ostjüdische Flüchtlingswelle aus den ländlichen Gebieten der Ukraine löste der im April 1920 ausgebrochene russisch-polnische Krieg (beendet am 18.03.1921) aus. Hinzu kamen jüdische Einwanderer aus den ehemaligen, hauptsächlich an Polen abgetretenen österreichischen Provinzen Ost- und Westgalizien.
Sie hofften hier auf Arbeit. Obwohl sie bei Behörden, Ämtern und Betrieben größtenteils abgewiesen wurden, fanden doch einige ostjüdische Migranten zum Beispiel in der Zeche "Pluto" in Wanne einen Arbeitsplatz. Viele von ihnen betrachteten Herne als vorübergehenden Aufenthaltsort. In der Hoffnung auf besseren Lohn und Arbeitsbedingungen entschloss sich etwa die Hälfte von ihnen während der französischen Besatzungszeit zur Auswanderung nach Nordfrankreich oder Amerika. 1932 zählte die jüdische Gemeinde in Herne noch 471 Mitglieder.
Eine Gedenktafel auf dem Friedhof erinnert an die in den darauffolgenden Jahren ermordeten und vertriebenen Juden der Stadt Herne.
Weiterführende Literatur:
Peters-Schildgen, Susanne: "Schmelztigel" Ruhrgebiet: Die Geschichte der Zuwanderung am Beispiel Herne bis 1945
Stadt Herne und Kommunalverband Ruhrgebiet
Klartext Verlag Essen, 1. Auflage März 1997, S. 250-252